Mit der NATO in den Weltkrieg?

Die Integration der Schweiz in das NATO-Kriegsbündnis nimmt immer deutlichere Züge an: Der Bundesrat plant eine Beteiligung an den Militärübungen der NATO, er eröffnet ein NATO-Verbindungsbüro in Genf, er will den Transit von NATO-Kriegsgütern und -Truppen erleichtern und er verweigert die Unterzeichnung des Vertrags für ein Atomwaffenverbot – wegen der NATO.

Die Maske ist endgültig herunter gefallen: Mehrere Aktionen des Bundesrats in den letzten Wochen haben klar gezeigt, dass es sich bei dieser Regierung um eine Regierung der Kriegstreiber und NATO-Befürworter handelt. Der Bundesrat verfolgt eine zielstrebige Politik der Eingliederung in den NATO-Block, vorläufig ohne Eintritt in das Kriegsbündnis.

Gemeinsam Krieg üben
Einer der grössten Schritte hin zu einer Eingliederung der Schweiz in die NATO, besteht in der geplanten Beteiligung an den grossen Militärübungen des Kriegsbündnisses. Das Militärdepartement unter Viola Amherd überlegt laut, ob es «am ganzen Spektrum» der NATO-Übungen, auch an den sogenannten Artikel-5-Übungen teilnehmen will. Mit Artikel 5 ist der Bündnisfall im NATO-Vertrag gemeint, bei dem alle Mitglieder gezwungen sind, am Krieg eines einzelnen NATO-Landes teilzunehmen. An den Artikel5-Übungen werden NATO-Kriege geprobt – demonstrativ an den Grenzen zu Russland und China. Armeechef Thomas Süssli verkündete am NATO-Gipfel im Januar, dass die Teilnahme an solchen Übungen «der Schlüssel, wenn nicht gar der letzte Schritt» sei, um die militärische Zusammenarbeit mit dem NATO-Kriegsbündnis sicherzustellen. «Switzerland is ready to play its part», versprach Oberbefehlshaber Süssli. Recht schnell und unter Ausschluss der Öffentlichkeit wurde vor Kurzem zwischen der Schweiz und der NATO beschlossen, in Genf ein Verbindungsbüro zu eröffnen. Laut internen Dokumenten soll das Büro bereits in diesem Jahr Realität werden. Es scheint auf den ersten Blick kein brisanter Beschluss: Ein kleines Büro der NATO, das laut Aussendepartement vor allem die Beziehungen zu den internationalen Organisationen in Genf fördern wird. Aber erstens ermöglicht der Bundesrat dem NATO-Kriegsbündnis damit eine leichtere Beeinflussung der Weltpolitik. Zweitens handelt es sich um die erste permanente NATO-Präsenz in der Schweiz, eine deutliche politische Zäsur. Und drittens wird damit die erste Vertretung eines ausländischen Militärbündnisses in der Schweiz zugelassen. Man stelle sich vor, Russland oder China könnten in der Schweiz Verbindungsbüros der «Organisation des Vertrags über kollektive Sicherheit» oder der «Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit» eröffnen! «Falls es der Bundesrat mit der Neutralität ernst meint, müsste er auch diese Bündnisse willkommen heissen», bemerkt der Tages-Anzeiger folgerichtig. Mit dem NATO-Büro in Genf stellt der Bundesrat einer Kriegspartei Schweizer Territorium zur Verfügung, was neutralitätsrechtlich äusserst fragwürdig ist.

Freie Bahn für die NATO
Im April konnte die französische Armee Militärlastwagen und Panzerfahrzeuge als Teil der NATO-Operation Althea in Richtung Bosnien und Herzegowina quer durch die Schweiz befördern. In Zukunft dürften solche Transporte häufiger zu beobachten sein. Das Verteidigungsdepartement will, dass die Schweiz Teil von PESCO (Permanente Strukturierte Kooperation) wird, wodurch NATO-Streitkräfte von europäischen Ländern einfacher und ohne Bewilligung durch die Schweiz transportiert werden können. PESCO wird auch als «militärisches Schengen» bezeichnet und beinhaltet als zentrale Komponente den freien Militärtransport innerhalb EU-Europas (Military Mobility). Die NATO ist von der Absichtserklärung der Schweizer Regierung begeistert. Der NATO-Funktionär Boris Ruge erklärte, «in einem Konfliktfall an der Ostflanke» könnte die NATO so «in kurzer Zeit sehr umfangreiche Kräfte» verlegen. Im Klartext: Die NATO könnte also mithilfe der Schweiz bei einem Krieg mit Russland schneller Kriegsmaterial oder sogar Truppen an die Front schicken. Was das für die Bevölkerung in der Schweiz bedeutet, ist klar: Es besteht die Gefahr, dass die Schweiz in einem solchen Krieg zum Angriffsziel wird, um den Truppennachschub zu verhindern. Die Schweiz wird dadurch in den Krieg hineingezogen. Im Zweiten Weltkrieg erlaubte die Schweizer Regierung zwar den Transit von Rohstoffen zwischen den faschistischen Nachbarländern Deutschland und Italien, aber es gab keinen Transport von Waffen oder Soldaten.

Nukleare Abschreckung
Im Februar reichte die Schweizerische Friedensbewegung SFB ihre Petition «Nein zum Atomkrieg: Atomwaffen verbieten, jetzt!» mit über 5000 Unterschriften ein. Der Bundesrat wurde damit unmissverständlich aufgefordert, dem UNO-Atomwaffenverbotsvertrag beizutreten und sich aktiv für das Verbot und die Vernichtung von Atomwaffen einzusetzen. Die Antwort des Bundesrats war enttäuschend: Das berechtige Anliegen wurde mit ein paar knappen Sätzen und Floskeln abgespeist. Nur wenige Tage später wurde klar, weshalb. Der Bundesrat hatte bereits den Entschluss gefasst, dem Atomwaffenverbotsvertrag nicht beizutreten. Der ausschlaggebende Grund für die Ablehnung war – die Beziehung zur NATO. Die Unterzeichnung des Vertrags würde «die Position der Schweiz in Sicherheitspartnerschaften komplizieren – insbesondere gegen die NATO», heisst es in der Erklärung des Bundesrats. Tatsächlich könnte die Schweiz nicht mehr der NATO beitreten, wenn der Vertrag unterschrieben wird, weil das Kriegsbündnis strategisch auf nukleare Abschreckung setzt. Der Bundesrat begrüsst in seiner Erklärung sogar die nukleare Abschreckungsdoktrin der NATO, das sei «funktionierende» Abschreckung.

Wer ist schuld?
Die Pläne zur schrittweisen Integration in die NATO werden vom Bundesrat immer wieder mit dem Hinweis verteidigt, dass Russland die «regelbasierten internationale Ordnung» zerstört habe. Der «völkerrechtswidrige Angriff Russlands» hätte nachhaltige Folgen für die «Sicherheit in Europa und darüber hinaus» gehabt. Deshalb wolle der Bundesrat die Sicherheits- und Verteidigungspolitik der Schweiz konsequenter auf die «internationale Zusammenarbeit» ausrichten. Der harmlos klingende Begriff «internationale Zusammenarbeit» wird später im Bericht konkretisiert, gemeint ist die «vertiefte, institutionalisierte Kooperation im Verteidigungsbereich», und zwar spezifisch «mit der NATO». Der Bundesrat verschliesst bewusst die Augen vor der Tatsache, dass die NATO ein Kriegsbündnis ist, das in der Vergangenheit selbst völkerrechtswidrige Kriege gegen verschiedene Länder vom Zaun gebrochen hat und massgeblich an der Eskalation des Ukraine-Konflikts beteiligt gewesen ist. Insbesondere der NATO-Krieg in Jugoslawien hat schon vor Jahrzehnten die Chance auf «Sicherheit in Europa und darüber hinaus» nachhaltig getrübt; die systematische Einkreisung Russlands durch die NATO-Osterweiterung in den folgenden Jahren trug ihr weiteres dazu bei.

Pure Heuchelei
Es könnten weitere Schläge und Machenschaften des Bundesrats gegen die Neutralität und die aussenpolitische Ausrichtung des Landes diskutiert werden, es gibt unzählige Schritte und Schrittchen, welche man Richtung NATO getätigt hat. Der Beitritt zum Sky-Shield-Projekt, der mittlerweile beschlossene Sache ist, hat die Schweizerische Friedensbewegung SFB bereits im Juli 2023 heftig kritisiert und abgelehnt. Bei Sky Shield handelt es sich um ein NATO-Projekt im Bereich der Flugabwehr, welches in Europa aufgebaut wird und explizit gegen Russland ausgerichtet ist. Die Ukraine-Konferenz auf dem Bürgenstock, manipulativ als Friedenskonferenz verkauft, dürfte mehr oder weniger ergebnislos verlaufen und sich als Blamage für die Schweizer Regierung erweisen: wichtige Länder des Südens, insbesondere mehrere BRICS+-Staaten haben die Einladung nicht angenommen, die relevante Kriegspartei Russland wurde überhaupt nicht eingeladen. Ein Zeugnis für den Tiefpunkt der Schweizer Diplomatie. Der Umgang mit dem völkerrechtswidrigen Krieg Israels gegen Gaza (als Besatzungsmacht hat Israel ganz klare völkerrechtliche Verpflichtungen) zeigt schliesslich die Heuchelei der Schweizer Regierung ganz offen auf. Tatenlos, fast gleichgültig schaut die schweizerische Regierung einem Völkermord zu, sperrt Hilfsgelder für die Opfer, für Hungerleidende, zeigt sich stattdessen solidarisch mit dem Unterdrückerstaat. Sanktionen gegen Israel? Undenkbar!

Ein Weltkrieg droht
Das Verhalten der Bundesrats zeigt deutlich: Diese Regierung ist nicht am Frieden interessiert. Sie will in die NATO, oder was politisch durchsetzungsfähiger ist, sie stellt sich plakativ an die Seite der NATO. Der Bundesrat will, dass sich die Schweiz gehorsam in den westlichen Machtblock einreiht und, falls nötig, mit ihm in den nächsten Weltkrieg hinein marschiert. Deeskalierende Massnahmen, diplomatische Lösungen, Gespräche auf Augenhöhe hat diese Regierung offenbar aufgegeben; der Gegner ist ja sowieso «verrückt», «böse», «nicht gesprächsbereit». Die heutige Generation der herrschenden Klasse im Westen hat offensichtlich alle Lektionen aus den zwei Weltkriegen, aus den multilateralen Friedensbemühungen der Nachkriegszeit vergessen. Der nächste Weltenbrand, der grosse Kladderadatsch zeichnet sich am Horizont ab, und die imperialistischen Grossmächte, allen voran die USA, Grossbritannien und Deutschland, schreiten zielstrebig darauf zu. Der Westen wird kriegstüchtig gemacht und auf eine Einheitsfront zurechtgebogen. Und die herrschende Klasse der Schweiz hilft mit. Alle Bundesratsparteien, von rechts bis links, sind für die aktuelle Politik der Regierung mit verantwortlich. Das muss gesagt werden. Es braucht einen Wechsel in der Politik, jetzt. Die Zeit läuft uns davon. Dem verantwortungslosen Handeln des Bundesrats muss Einhalt geboten werden. Es braucht Widerspruch aus der Bevölkerung, es braucht ein lautes Nein zur Kriegsvorbereitung, es braucht ein breites Bündnis für den Frieden, mit oppositionellen Kräften, mit Solidaritätsgruppen, mit den sozialen Bewegungen. Die Schweizerische Friedensbewegung könnte hier ein Startpunkt sein.