Am 22. September 2020 hat der Weltfriedensrat beim norwegischen Nobelkomitee formell die Kandidatur des kubanischen medizinischen Kontingents „Henry Reeve“ für den Friedensnobelpreis registriert.
Die Henry-Reeve-Brigade wurde in Kuba am 19. September 2005 als Reaktion auf die durch den Hurrikan Katrina in New Orleans in den Vereinigten Staaten verursachten Schäden gegründet. Über 12 000 kubanische Gesundheitsfachpersonen hatten sich damals spontan bereit erklärt, die betroffene US-Bevölkerung mit Soforthilfe zu unterstützen. Bekanntlich weigerte sich die USA damals, die Unterstützung anzunehmen.
Offiziellen Angaben zufolge hat Kuba im Rahmen der Coronavirus-Pandemie bisher 46 Brigaden mit über 3 700 Mitarbeitenden des Gesundheitswesens in 39 von Covid-19 betroffene Länder und Gebiete entsandt.
Wir dokumentieren das Schreiben des WFR an das Norwegische Nobelpreiskomitee.
Sehr geehrte Mitglieder des norwegischen Nobelkomitees,
Sehr geehrte Frau Berit Reiss-Andersen, Vorsitzende
Wir wenden uns an Sie in einer Zeit großer Herausforderungen für die Menschheit und auch in einer Zeit, in der Solidarität am dringendsten geboten ist. Die COVID-19-Pandemie ist ein weiteres Beispiel dafür, welch grosse Bedeutung der internationalen Solidarität für die Förderung eines gerechten Friedens und die Linderung des Leidens der Menschen in Notsituationen zukommt. Als aufrichtigstes Beispiel dieser internationalen Solidarität betrachten wir die Arbeit, die das kubanische medizinische Kontingent „Henry Reeve“ schon lange vor Ausbruch der Coronavirus-Pandemie geleistet hat. Diese Tatsache veranlasst uns, Sie aufzufordern, die Tapferkeit und das vorbildliche Engagement der Gruppe anzuerkennen und ihr den Friedensnobelpreis zu verleihen.
Die verschiedenen kubanischen medizinischen Teams stehen derzeit in 24 Ländern Lateinamerikas und der Karibik, in 27 afrikanischen Ländern, in zwei Ländern des Nahen Ostens und in sieben asiatischen Ländern im Einsatz und retten Menschenleben. Seit etwa 60 Jahren bereits leistet kubanisches Gesundheitspersonal im Ausland humanitäre medizinische Hilfe und steht damit in einer langen kubanischen Tradition der humanistischen Fürsorge für andere Völker. Auch wenn die Insel selbst – im krassen Gegensatz zu ihrer eigenen Hilfsbereitschaft – während ebenfalls sechzig Jahren mit äusserst harten Sanktionen belegt wird und dadurch gravierende wirtschaftliche Probleme zu bewältigen hat, die dem kubanischen Volk grosse Entbehrungen aufbürdet, hat sie diese Unterstützung nie aufgegeben. Auf diese Weise zeigen die Kubaner der Welt, wie am besten Frieden gestaltet und Brücken gebaut werden können, damit andere Völker die Chance erhalten, ihre eigenen Schwierigkeiten zu meistern und nicht vorher ihr Leben zu verlieren. Kubanische Brigaden waren in Ländern im Einsatz wie beispielsweise in Peru nach dem verheerenden Erdbeben von 1970, bei dem 80 000 Menschen starben und Tausende von Familien vertrieben wurden (es sei daran erinnert, dass Kuba Hilfe schickte, obwohl Peru mit Kuba keine diplomatischen Beziehungen unterhielt), in Haiti während der Cholera-Krise, in verschiedenen afrikanischen Ländern im Kampf gegen Ebola, und sie haben in Lateinamerika und der Karibik in einer breiten Palette von Projekten gearbeitet, die Tausenden von Menschen halfen.
Die „Henry-Reeve-Brigaden“, wie das Soforthilfekontingent genannt wird, haben eine gigantische Aufgabe, die nur durch ein humanistisches Engagement in dieser Form bewältigt werden konnte. Die riesige Herausforderung liegt bereits in der offiziellen Bezeichnung: „Internationales Ärztekontingent für Katastrophenfälle und schwere Epidemien“. Das Kontingent wurde 2005 ins Leben gerufen und nach einem jungen US-Aktivisten benannt, der sich im 19. Jahrhundert aus Solidarität mit dem kubanischen Unabhängigkeitskampf entschlossen hatte, der kubanischen Befreiungsarmee beizutreten. In rund 28 Brigaden, die seit ihrer Gründung in 22 Länder entsandt wurden, haben mehr als 7 950 Fachleute daran gearbeitet, die Auswirkungen von 16 Überschwemmungen, acht Wirbelstürmen, acht Erdbeben und vier Epidemien zu überwinden. Im Kampf gegen COVID 19 machten sich die stets tapferen kubanischen Ärztinnen und Ärzte umgehend auf den Weg in mehrere Länder, darunter Italien, das im März 2020 zu den am stärksten vom Ausbruch betroffenen Ländern gehörte. Die Brigaden wurden von den Regierungen von Ländern wie Venezuela, Nicaragua, Italien, Surinam, Jamaika, Granada, Andorra, St. Kitts und Nevis, Haiti, Dominica, Belize, St. Vincent und die Grenadinen, St. Lucia und Antigua und Barbuda angefordert.
Es gibt mittlerweile 14 solcher ständigen Brigaden, die mit mehr als 500 spezialisierten Ärztinnen und Ärzten und anderen medizinischen Fachkräften zusammenarbeiten. Es sind mutige Männer und Frauen, die den Menschen in verschiedenen Ländern und auf allen Kontinenten dringend benötigte Hilfe gebracht, unzählige Leben gerettet und das menschliche Mitgefühl und die Freundlichkeit gezeigt haben, für die man sich noch heute an sie erinnert, wo immer sie gewesen sind. Diese Arbeit ist der Schlüssel zur Schaffung von Frieden inmitten gewalttätiger und struktureller Konflikte und zur Herbeiführung von Verhältnissen, die es den Menschen ermöglichen, ihre grundlegendsten Bedürfnisse selbst unter den Bedingungen von Katastrophen und extremer Armut zu befriedigen. Da dieses prinzipielle Engagement für Frieden und Solidarität in konkrete, überprüfbare Aktionen umgesetzt wird, sind die Brigaden für die Verleihung des Friedensnobelpreises mehr als qualifiziert.
Deshalb unterstützen wir als Vertreter von Dutzenden von nationalen Friedenskomitees in rund 100 Ländern, die Mitglieder unseres Weltfriedensrates sind, gemeinsam mit unzähligen anderen friedliebenden Organisationen, Parlamentariern und verschiedenen Einzelpersonen die Nominierung des Henry-Reeve-Kontingents für den Friedensnobelpreis. Der Weltfriedensrat ist eine internationale Nichtregierungsorganisation, die sich unermüdlich für den Frieden und gegen Kriege einsetzt und beim Wirtschafts- und Sozialrat der Vereinten Nationen (ECOSOC) beratenden Status hat.
Mit freundlichen Grüßen
Socorro Gomes
Präsidentin des Weltfriedensrates und ehemalige Bundesabgeordnete im brasilianischen Repräsentantenhaus
Thanassis Pafilis
Generalsekretär des Weltfriedensrates, Mitglied des griechischen Parlaments