Am 10. Dezember 2024 wurde die japanische Organisation Nihon Hidankyo in Oslo mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet. Nihon Hidankyo repräsentiert die Hibakusha, die Überlebenden der Atombombenabwürfe auf Hiroshima und Nagasaki. Ihr Schicksal wurde lange Zeit übersehen und verdrängt, doch seit ihrer Gründung im Jahr 1956 setzt sich die Organisation unermüdlich für die Interessen der Betroffenen ein.
Von Rolf Bader
Nihon Hidankyo entstand aus lokalen Hibakusha-Verbänden und Opfern von Atomwaffentests im Pazifik und entwickelte sich zur grössten Organisation ihrer Art in Japan. Durch persönliche Berichte und Zeugenaussagen lenkt Nihon Hidankyo die Aufmerksamkeit auf die verheerenden humanitären Folgen des Einsatzes von Atomwaffen. Die Organisation hat das Ziel, ein Verbot und die vollständige Vernichtung von Atomwaffen zu erwirken. Sie fordert staatliche Entschädigungen für die Opfer der Atombombenabwürfe und Unterstützungsmassnahmen für die Hibakusha, die damals noch weit über 300‘000 in Japan lebten, sowie viele weitere in Korea und anderen Teilen der Welt.
Eine Welt ohne Atomwaffen
Die Entscheidung des Nobelkomitees, Nihon Hidankyo den Friedensnobelpreis zu verleihen, ist ein klares Signal an die Atomwaffenstaaten, ihre Arsenale abzurüsten. Gleichzeitig ermutigt sie internationale NGOs und die Zivilgesellschaft, sich weiterhin weltweit für die Abschaffung von Atomwaffen einzusetzen. Masako Wada, ein Vertreter von Nihon Hidankyo, betont die Dringlichkeit ihrer Mission: «Die Welt bewegt sich derzeit bei der nuklearen Abrüstung rückwärts. Die russische Invasion in der Ukraine hat unaussprechliches menschliches Leid verursacht und das Risiko eines Atomkriegs erhöht. Ich habe mein Leben dem Verbot von Atomwaffen gewidmet. Anstatt Wut, fühle ich Kummer und Angst, wie tief die Menschen in die Dunkelheit fallen werden. Wir müssen weitermachen. Eine Welt ohne Atomwaffen, das ist unsere Mission.»
Atomwaffen stellen eine existentielle Bedrohung dar. Die Bombenabwürfe von 1945 auf Hiroshima und Nagasaki forderten unmittelbar über einhunderttausend Todesopfer und zerstörten die Städte fast vollständig. Die über 2‘000 Atomwaffentests nach 1945 führten zu lebensgefährlichen und langfristigen gesundheitlichen Schäden sowie massiven Umweltschäden. Beispielsweise hatte die von den USA auf dem Bikini-Atoll gezündete Wasserstoffbombe eine Sprengkraft von 15 Megatonnen, tausendmal stärker als die Hiroshimabombe.
Strahlenbedingte Erkrankungen, Fehlbildungen und radioaktive Kontamination sind einige der schwerwiegendsten Folgen. Viele Überlebende der Atomwaffentests tragen die körperlichen und psychischen Folgen ihr Leben lang mit sich.
Verträge beendet
Derzeit existieren weltweit über 12‘000 Atomwaffen, hauptsächlich in den Arsenalen der USA und Russlands. Die Anzahl der einsatzbereiten Atomwaffen ist im letzten Jahr von etwa 2‘000 auf 2‘100 gestiegen. Die neun Atomwaffenstaaten gaben im vergangenen Jahr rund 91,4 Milliarden US-Dollar für Atomwaffen aus. Die Aufrüstung der Atomarsenale schreitet voran, während Abkommen gekündigt wurden.
Der INF-Vertrag zwischen den USA und Russland wurde beendet, ebenso die Verträge über Raketenabwehr (ABM) und den «Offenen Himmel» (Open Skies). Der New-Start-Vertrag ist ausser Kraft, und der umfassende Atomteststoppvertrag (CTBT) ist noch nicht in Kraft. Rüstungskontrollverhandlungen sind derzeit ausgesetzt. Der Atomwaffensperrvertrag, der 1970 in Kraft trat, verpflichtet die Unterzeichnerstaaten zur Nichtverbreitung von Atomwaffen und zur vollständigen Abschaffung. Dennoch sind einige Staaten wie Indien, Pakistan, Israel und Nordkorea nicht mehr Teil des Vertrags. Der Vertrag fordert die Atomwaffenstaaten auf, konkrete Abrüstungsschritte zu unternehmen.
Unsere Pflicht
Der Atomwaffenverbotsvertrag der Vereinten Nationen, der seit Januar 2021 in Kraft ist, fordert die Unterzeichnung weiterer Staaten. Er verbietet die Entwicklung, Herstellung, Lagerung und den Einsatz von Atomwaffen sowie die Weiterverbreitung von Atomtechnologie. Diese Entwicklung erhöht den Druck auf die Atomwaffenstaaten, ihre Verpflichtungen zu erfüllen.
«Die Glocke von Hiroshima läutet in unseren Herzen nicht als Trauerglocke, sondern als Alarmglocke, die zu Aktionen aufruft, um das Leben auf unserem Planeten zu schützen. Zusammenarbeit ist der einzige Weg zum Frieden, zur Gesundheit und zum Wohlbefinden der Menschen. Unsere Pflicht ist es, die Welt unseren Nachfolgern in einem besseren Zustand zu übergeben. Wir sind uns bewusst, dass das atomare Wettrüsten gestoppt werden muss, bevor die Abschaffung Wirklichkeit werden kann», mahnten die IPPNW-Präsidenten Prof. Bernard Lown und Prof. Jewgeni Tschasow bei der Verleihung des Friedensnobelpreises an die IPPNW 1985 in Oslo.
Quelle: Telepolis