
Donald Trumps Rückkehr ins Weisse Haus markiert einen deutlichen Wendepunkt der internationalen Beziehungen. Während frühere Regierungen ihre globalen Machtansprüche oft hinter diplomatischen Fassaden versteckten, betreibt Trump Weltpolitik mit offenem Zwang und Gewalt. Ob Panama, Grönland oder Ukraine – wirtschaftliche Erpressung und militärische Drohungen werden der verdeckten Einflussnahme vorgezogen. Die USA zeigen ihr wahres Gesicht als dominierende Militär- und Finanzmacht.
Von Tarek Idri
Seit einigen Wochen ist Donald Trump wieder Präsident der Vereinigten Staaten. Nach dem klaren Sieg bei den Wahlen im November wurde Trump unter dem Beifall des US-Geldadels zum Staatsoberhaupt der führenden Militärmacht der Welt gekrönt. Unglaubliche 200 Millionen Dollar spendeten die Grosskonzerne Amazon, Meta, Uber, Google und Co. für die Feierlichkeiten zur Amtseinführung. Zur gleichen Zeit haben Tausende Menschen in Kalifornien durch Waldbrände ihre Wohnung verloren und Millionen Amerikaner:innen können aufgrund der Inflation nicht mehr die nächste Miete bezahlen, stehen wegen immensen Gesundheitskosten vor dem finanziellen Ruin oder sind aufgrund ihrer Hautfarbe von Polizeiterror bedroht.
Ohne vorgetäuschte Moral
Trump ist wie sein Vorgänger ein Vertreter der Superreichen, der Banken und Grosskonzerne. Was ihn jedoch deutlich unterscheidet, ist sein Politikstil. Mit Trump ist eine andere Art von Politiker an die Macht gelangt. Er vertritt die imperialistischen Interessen der Megareichen ohne Maske. Ohne Umschweife, ohne Beschönigung, ohne jegliche vorgetäuschte Moral übt Trump seine Macht aus, hier treten die Geschäftsinteressen des Grosskapitals unverhüllt ans Tageslicht. Softpower, diplomatische Spielchen, verdeckte Einflussnahme; darauf kann Trump verzichten, denn er weiss, dass die USA noch (!) über die ökonomischen und militärischen Mittel verfügen, dem Rest der Welt den eigenen Willen aufzuzwingen. Diplomatische Fassaden sind aufgrund der Stellung der USA im Weltsystem nicht wirklich nötig (und kosten viel Geld und Zeit). Mit Trump an der Spitze sind die USA übergegangen von mehrheitlich subtiler zur direkten Machtausübung, Gewalt wird offen als Mittel der Politik praktiziert.
Grönland fest im Griff
Trump machte Schlagzeilen, noch bevor er das Präsidentenamt übernommen hatte. Er kündete an, Grönland und den Panamakanal annektieren zu wollen, falls nötig, durch die Anwendung von «militärischem und ökonomischem Zwang». Dies sei notwendig für die «ökonomische Sicherheit» der USA. Der neue US-Machthaber verstiess damit direkt gegen Völkerrecht und die UNO-Charta, welche die Androhung von Gewalt in der internationalen Politik verbietet. Ob Trump seine Ankündigung tatsächlich irgendwann einmal Wirklichkeit werden lässt, sei dahingestellt. In beiden Fällen wird die blosse Absichtserklärung, Gewalt einzusetzen, dazu führen, dass die USA die Kontrolle über diese Gebiete verstärken kann. Sowohl Grönland und Panama gehören bereits zur Einflusssphäre der USA. Auf Grönland steht eine US-Militärbasis, die mit Radar- und Frühwarnsystemen ausgestattet ist; die Insel ist als Kolonie Dänemarks auch in die NATO eingebunden. Für die Abwehr von potenziellen Angriffen aus Russland auf die USA ist das Gebiet geostrategisch besonders wichtig, weil die kürzeste Flugstrecke von Raketen von Russland zum Osten der USA (und umgekehrt) über Grönland führt. Im Gespräch mit der FAZ bestätigte der dänische Militärexperte Peter Viggo Jakobsen: «Bisher haben die USA in Grönland militärisch weitgehend bekommen, was sie wollten, indem sie nett gefragt haben.» Warum also die unhöflichen Annexionsdrohungen? Möglicherweise locken die reichen Bodenschätze, die unter Grönlands Eis liegen und durch den Klimawandel leichter zugänglich werden. Ob Trumps Pläne im hohen Norden umgesetzt werden oder nicht, ihre blosse Verkündigung zeigte bereits Wirkung. Der dänische Verteidigungsminister erklärte wenige Tage später, dass Dänemark «bereit sei, Gespräche mit dem neuen US-Präsidenten zu führen, um die legitimen amerikanischen Interessen zu sichern». Die US-amerikanische Vorherrschaft über Grönland konnte also erfolgreich vertieft werden.
Panama unter Kontrolle
In Panama lief es ähnlich ab. Der Panama-Kanal ist für die US-Wirtschaft und -Armee von hoher Bedeutung, da es sich um die schnellste Verbindung von der US-Ostküste nach Ostasien handelt. 40 Prozent aller US-Containerschiffe durchqueren den Kanal und transportieren dabei Frachtwerte von fast 300 Milliarden Dollar pro Jahr. 74 Prozent aller Schiffe, die den Kanal jährlich durchqueren, haben die USA als Startpunkt oder Zielort. Erst seit 1977 darf Panama seinen Kanal unabhängig von den USA verwalten und betreiben, wobei sich die USA das Recht sicherten, militärisch zu intervenieren, falls es zu einer Störung des Betriebs oder zum Verlust seiner Neutralität kommt. Trotz der völlig klaren und unzweideutigen US-Hegemonie über Panama und den Kanal, drohte Trump Anfang Januar, er werde «den Panama-Kanal zurückholen, oder es wird etwas sehr Grosses passieren». Für die US-Grosskonzerne sind vor allem die Gebühren, die sie dem Staat Panama für die Benutzung des Kanals zahlen müssen, sowie die zunehmenden wirtschaftlichen Beziehungen zwischen Panama und dem Rivalen China ein Dorn im Auge. In beiden Punkten hat die direkte Gewaltandrohung von Trump zur Stärkung der US-Interessen geführt. Panama liess erklären, aus dem chinesischen Handels- und Infrastrukturprojekt «Neue Seidenstrasse» auszutreten. Und Berichten zufolge wird es von US-Regierungsschiffen – insbesondere von US-Kriegsschiffen – in Zukunft «keine Gebühren mehr für die Durchfahrt durch den PanamaKanal» verlangen.
Rohstoffe als Gegenleistung
Trump hat kurz nach seiner Machtübernahme Gespräche mit Russland aufgenommen, um Schritte und Bedingungen für ein Ende des UkraineKrieg auszuhandeln. Dass dahinter die nackten Interessen der US-Wirtschaft stecken und nicht irgendwelche Friedenswünsche, zeigt sich an der Begründung der Trumpschen Ukraine-Politik. Laut Trump wäre die EU an der Aufrüstung der Ukraine viel weniger stark beteiligt: «Wir zahlen 200 Milliarden mehr als die Europäische Union. Sind wir denn blöd?» Trump verlangt von der EU einen höheren Beitrag an der ukrainischen Rüstung. Von der Ukraine fordert er direkt Zugriff auf die Bodenschätze als Gegenleistung für die US-Militär- «Hilfe». Die USA würden die Ukraine weiter verteidigen, wenn sie «das Äquivalent von 500 Milliarden Dollar an Seltenen Erden» erhalten. Oder im Umkehrschluss: Keine militärische Unterstützung ohne Rohstoffe als Gegenleistung. Der ukrainische Präsident Selenski erklärte bereits: «Wir sind bereit für ein ernsthaftes Dokument, aber wir brauchen Sicherheitsgarantien.» An einem entsprechenden Vertrag werde gearbeitet. Trumps Nationaler Sicherheitsberater Mike Waltz kommentierte den «Deal» mit den Worten, dass das Rohstoffabkommen für die Ukrainer «die beste Sicherheitsgarantie ist, die sie sich erhoffen können, besser als eine weitere Palette Munition».
Israel kriegt Freifahrtschein
Illusionen, dass Trump ein Friedenspräsident sei oder dass seine rechtspopulistische Politik irgendwie den Frieden fördern könne, werden insbesondere durch Trumps Israel-Politik ad absurdum geführt. Der Völkermord gegen die Palästinenser:innen konnte von Israel nur mit Rückendeckung der USA und Europa, durch die Beihilfe von Pickelhauben-Liberalen wie Biden und Flecktarn-Grünen wie Annalena Baerbock, durchgeführt werden. Mit Trump an der Macht hat Israel nun einen Freifahrtschein fürs hemmungslose Morden erhalten – und die USA werden dem Apartheidstaat direkt unter die Arme greifen bei der Zwangsumsiedlung der Palästinenser:innen. Trump hat angekündigt, den Gazastreifen «übernehmen» zu wollen und die dort lebenden Palästinenser:innen dauerhaft zu vertreiben. Er vertrat auch offen die Ansicht, dass die Palästinenser:innen kein Recht auf Rückkehr hätten. Die Grundstücke auf dem entvölkerten Gazastreifen sollen internationalen Käufer:innen zur Verfügung gestellt werden. Das Westjordanland darf von Israel mit Trumps Segen annektiert werden. Und Trump hat bereits der Lieferung von schweren Bomben nach Israel zugestimmt, die Biden für ein paar Monate eingefroren hatte. Die israelische Regierung kann sich freuen, der israelische Ministerpräsident bezeichnete Trump als «grössten Freund, den Israel jemals im Weissen Haus hatte».
Rambo und Clown
Trump ist nicht das Gegenteil von Biden, sondern bloss das ungeschönte Gesicht des gleichen imperialistischen Systems, das auch Biden vertritt. Wir erinnern daran, dass viele Beschlüsse aus Trumps erster Amtszeit von Biden nicht rückgängig gemacht wurden. Biden hat die von Trump intensivierte Blockade gegen Kuba symbolisch erst im allerletzten Augenblick aufgehoben (was von Trump sofort rückgängig gemacht werden konnte). Auch Beschlüsse zur Migration und zur Zollpolitik wurden oftmals einfach weitergeführt. Das Kriegsbudget der USA wurde von Biden weiter aufgeblasen. Trump kann in der Rolle als Rambo und Clown Dinge durchsetzen, die für einen Biden politisch gefährlich wären. Trump setzt die Interessen der USGrosskonzerne im Eiltempo durch, während der nächste demokratische Präsident die Wogen auf der Oberfläche wieder glätten kann. Deutlich wird Trumps Rolle beim Umgang mit der Softpower-Institution USAID. USAID verwaltet die Entwicklungsgelder der USA, ist aber auch eng mit den US-Geheimdiensten verflochten. Seit Langem steht USAID unter Verdacht, unter dem Deckmantel der Entwicklungshilfe schmutzige CIA-Operationen im Ausland zu unterstützen und dafür auch ein Grossteil ihres Milliardenbudgets aufzuwenden. Mit Wikileaks gelangte beispielsweise eine USAID-Kampagne ans Tageslicht, die vor rund zwanzig Jahren darauf abzielte, den venezolanischen Präsidenten Hugo Chávez international zu isolieren und seine politische Basis zu infiltrieren. Trump geht nun gegen diese Agentur vor. Aber es geht nicht darum, USAID zu schliessen, sondern unter die engere Kontrolle des Staates zu bringen. Der Plan ist, die Entwicklungsorganisation dem Aussenministerium zu unterstellen, damit die Agentur angemessen kommandiert und beaufsichtigt wird. Die US-Regierung unter Trump wird also nicht vollständig auf Softpower-Beeinflussung verzichten, sondern sie stärker dem direkten Kommando des Staates unterordnen.
Wir sind die Leidtragenden
Imperialismus, das ist die Herrschaft der Grosskonzerne, heute insbesondere der Finanz- und High-Tech-Industrie, das ist ihr Kampf um Einflusssphären und um Märkte, das ist der offene oder verdeckte Konkurrenzkampf zwischen den Grossmächten. Und immer wieder führt das imperialistische System zu Reibungen, zu Konflikten, zu Stellvertreterkriegen wie in Afghanistan oder der Ukraine, und im äussersten Fall zur direkten Konfrontation der Grossmächte – zum Weltkrieg. Trump ist Milliardär und eng verbandelt mit der Klasse der Superreichen. Zu seinen ersten Amtshandlungen gehörte, die Finanzbehörde CFPB, welche seit 2008 Finanzprodukte überwacht und reguliert, zu schliessen. Auch die Regulationen und Überwachungen der Technologiekonzerne wie Amazon und Meta werden unter Trump gelockert oder ganz wegfallen. Für die herrschende Klasse der Superreichen ist der Krieg ein Spiel um Macht und Ressourcen. Sie werden nicht selber vom Grauen des Krieges betroffen sein, ihre Söhne und Töchter werden nicht auf den Schlachtfeldern verpulvert werden. Die Leidtragenden von Krieg und Imperialismus sind immer die einfachen Leute, die übergrosse Mehrheit der Bevölkerung. Hier gilt es für uns als Friedensbewegte Bewusstsein zu schaffen darüber, dass die Interessen der Oberen eben nicht die Interessen von uns sind, dass Krieg nicht ein naturgegebenes Übel, sondern ein Machtmittel der Herrschenden ist, dass der Frieden erkämpft werden muss und nicht einfach gegeben wird. Wir müssen uns einem Weltkrieg und seinen Nutzniessern mit aller Kraft entgegenstellen; Trumps Machtübernahme macht eine starke Friedensbewegung dringender nötig denn je.